Wir können überall sein, nur nicht bei uns - deshalb bräuchten wir dringend mehr Dates mit uns selbst.
Die Ethikschüler der Jahrgangsstufe 10 der Adalbert-Stifter Realschule beschäftigten sich - gemeinsam mit ihrer Lehrerin Agnes Rimkus - kritisch mit der Nutzung sozialer Netzwerke. Das Ergebnis wurde am Donnerstagabend beim fünften Philo-Café im Begegnungszentrum Riedäcker präsentiert.
Eren Begen aus der 10a meinte zur Einführung:
„Sie fragen sich sicher, warum gerade wir Jugendlichen, die ja eigentlich immer mit dem Smartphone zugange sind, uns dieses Thema ausgewählt haben. Tja, schuld darin ist unsere Frau Rimkus, sie hat uns sozusagen den Schubser dazu gegeben.
Die sozialen Netzwerke ermöglichen uns permanent, überall und jederzeit erreichbar zu sein. Das Smartphone piepst, vibriert im Sekundentakt und lässt uns nicht mehr los. Jede noch so kleine Pause nutzen wir für einen Blick auf WhatsApp, Facebook oder andere soziale Netzwerke. Ein Überleben ohne Handy erscheint uns allen heutzutage unvorstellbar. Aber wo bleibt der Mensch, das Individuum in dieser digitalen Zeit?
Dieses Thema greifen wir auf und versuchen mit inspirativen Theaterstücken, Texten und Musik euch, liebes Publikum, zum Nachdenken anzuregen. Und ich muss sagen, die Auseinandersetzung mit diesem Thema hat sich für uns echt gelohnt. Es war sehr zeitintensiv, aber uns wurde dabei nie langweilig, wir haben viel nachgedacht und voneinander gelernt.“
Eren Begen und Simon Werner führten dann gemeinsam durch den Abend. Damit das Publikum zwischen den Beiträgen auch nachdenken konnte, gab es immer wieder musikalische Verschnaufpausen, gestaltet von Bora Özgün, Eveline Takaishvili und Beyza Kirli.
Mit einem Sketch am Mittagstisch einer 5-köpfigen Familie mit Hund, wurde in die Thematik, dass man selbst beim gemeinsamen Mittagessen sich nur noch mit dem Smartphone beschäftigt und keine konzentrierte Kommunikation mehr stattfinden kann, eingeführt. Passend zum Sketch wurde das Publikum darüber informiert, warum wir immer dauernd abwesend - anwesend sind und was alles so mit uns passiert durch dieses dauernde abwesend - anwesend sein. Sehr beindruckend war der Textbeitrag zum Thema: „Das Selbst im Dschungel der Möglichkeiten“. Wer ist das eigentlich, das Selbst? Und was verlieren wir, wenn wir uns selbst verlieren? Sich selbst finden zu wollen ist keine moderne Erfindung, sondern ein jahrhundertealtes, in immer neuen Variationen durchgespieltes Thema der menschlichen Existenz.
In einem weiteren Textbeitrag ging es um das „das Ego, das Ich und das Selbst“. Unserem „Ego“ erscheint die Welt voller Angebote, das „reifende Ich“ muss da irgendwie vermitteln und die dritte Instanz, „das Selbst“ fragt: "Was will ich wirklich? Worum geht es mir?" Wenn aber diese tiefere Selbstaufmerksamkeit fehlt, dann ist es unendlich schwer, zu sich selbst zu finden.
Dazu gab es dann ein sehr eindrucksvolles Maskenspiel. Auch erfuhr das Publikum, dass ein künstliches Selbst mehr von Bildern als vom Erlebten bestimmt wird und somit die Persönlichkeit eher verborgen als hervorgebracht wird. Dieser Beitrag machte dem Publikum klar, dass das künstliche Selbst uns auf Dauer nicht guttut.
Das Highlight des Abends war ein selbstgedrehter Film über einen 42- jährigen, erfolgreichen Manager. Sein Monatsgehalt deckt sich etwa mit dem, was eine Verkäuferin in einem ganzen Jahr verdient. Auch fährt er eine geleaste Limousine, die auch seine Nachbarn gerne fahren würden. Ein Mann im Glück - oder? Auch um seine hübsche Frau und seine beiden wohlerzogenen Kinder wird er beneidet. Doch alles, was der Manager vorweisen kann, macht ihn nicht glücklich. Eher noch macht es die Sache schlimmer, denn er denkt, dass er ja eigentlich glücklich sein müsste. Das Drehbuch sowie den Schnitt des Films haben die Schüler super hinbekommen. Verantwortlich dafür waren: Bennet Wamsler, Jan Wischnewski, Gabriel Roth und Marcel Meloni.
Weitere interessante Beiträge gab es zu den Themen Multitasking und Aufmerksamkeit, die begehrter ist als eine Droge - jeder will sie! Fazit des Beitrags: Eine reife Persönlichkeit zu entwickeln ist ohne Selbstaufmerksamkeit und Auseinandersetzung mit sich selbst nicht möglich!
Anschließend gab es ein interessantes Interview mit einem Psychologen, gespielt von Eren Begen und Simon Werner. Auch eine Hausaufgabe bekam das Publikum. Max Rosenschon erklärte den Zuschauern, dass sie sich 15 Minuten lang im Spiegel betrachten sollen, dazu gab es natürlich auch Aufgaben. Ein sehr interessantes Experiment!
Kerstin Schilling fasste dann den Abend noch einmal zusammen mit der These: „Wir sollten mehr auf uns achtgeben, denn wir sind der einzige Mensch, mit dem wir garantiert das ganze Leben verbringen werden.“